Boeing Stearman

N5345N | 718

Die Legende lebt!

Je nach Witterung fünf, sechsmal Einspritzen, Zündung ein, ein letzter Rundumblick zusammen mit dem obligatorischen Ausruf „Prop clear“, Betätigen des Anlassers – und wenn alles passt und die alte Dame will, erwachen die sieben Zylinder des Continental W670 Sternmotors hustend und qualmend zum Leben.

Ein bisschen ist das jedes mal wie eine kleine Zeitreise, zu den Tagen, als Flugzeuge noch Doppeldecker und Cockpits natürlich offen zu sein hatten, damit die Piloten den Wind und das Wetter hautnah spüren konnten.

Und wenn man die Landschaft langsam unter den leuchtend gelben Flügeln hindurchziehen sieht oder die Welt bei einem Looping auch mal Kopfstehen lässt, vergisst man schnell, dass man eigentlich gar nicht in einem typischen Vertreter des „Golden Age of Aviation“, nämlich der 1920er und 30er Jahre sitzt, sondern in einem echten „War Bird“, einem Militärflugzeug, dass seine Bekanntheit und Bedeutung einzig der Katastrophe des Zweiten Weltkriegs verdankt.

Nach dem Kriegseintritt der USA 1941 herrschte ein riesiger Bedarf an Schulflugzeugen, mit denen schnell tausende von Piloten für die US Army Air Corps und die US Navy ausgebildet werden konnten. Dazu griff man auf eine Konstruktion von Lloyd Stearman zurück, dessen Unternehmen Ende der 1930er Jahre in der Firma Boeing aufgegangen war.

Zwar wirkte die Konstruktion der „Stearman 75“ schon damals im Vergleich mit anderen Konstruktionen von Reise-, Sport-, Trainings- oder Militärflugzeugen wie ein Fossil, aber sie war einfach und kostengünstig herzustellen und man benötigte kaum teure Ressourcen wie Flugzeugaluminium.

Je nach Quelle wurden 8.500 bis über 10.000 der massigen Doppeldecker beschafft, die je nach Motorisierung und Nutzer andere Bezeichnungen bekamen.

Piloten aller Waffengattungen lernten auf den Maschinen die Grundbegriffe des Fliegens. Sicher ein Abenteuer für angehende Piloten wie auch für die Fluglehrer, war doch die Verständigung zwischen Lehrer und Schüler nur mit einem Hörrohr und Handzeichen möglich und sind die Flugeigenschaften der Stearman bei Start und Landung zumindest nach heutigen Maßstäben nicht eben anfängerfreundlich.

Technische Daten
  • Baujahr: 1942
  • Spannweite: 9,80 m
  • Länge: 7,63  m
  • Höhe: 2,80 m
  • Triebwerk: Continental W670
  • Leistung: 220 PS
  • Reisegeschwindigkeit: 160 km/h
  • Reichweite: ca. 480km
  • Leergewicht: 880 kg
  • Maximales Abfluggewicht: 1.230 kg
  • Besatzung: 1+1

„Unsere“ Stearman, Einsatznummer „718“, wurde nach den vorliegenden Unterlagen 1942 gebaut und 1944 von der Army in Dienst gestellt, damals wohl noch als PT-13, also mit einem anderen Triebwerk.

Ihren Wehrdienst verrichtete sie bis 1949, bevor sie dann das Schicksal vieler Tausender anderer Stearmans teilte und in private Hände ging, um dort unter anderem als „Crob Duster“, als Sprühflugzeug, umgebaut und eingesetzt zu werden. Nach einigen weiteren Besitzerwechseln und wenig sanfter Behandlung endete die Maschine im Jahr 2000 als großes „Teile-Puzzle“ auf einer Gänsefarm im Südosten Englands, deren luftfahrtbegeisterter Besitzer auf der Farm nicht nur einen kleinen Flugplatz betreibt, sondern auch Boeing Stearmans restauriert.

2003 suchten und fanden sich dann Dirk Spöhrer und die grundüberholte „718“, die mittlerweile mit dem Conti Sternmotor versehen wurde und damit eigentlich eine PT-17 ist.

Die Begutachtung des Flugzeugs, der Kaufabschluss, die Einweisung durch einen Fluglehrer A.D. der Royal Air Force und die Überführung nach Ober-Mörlen sind Erlebnisse, die alleine ein ganzes Buch füllen würden. Sie gehören genauso zu unserer gemeinsamen Geschichte wie viele hundert Stunden wundervoller Flugerlebnisse oder eben auch die vielen Schrauberstunden, oft in eiskalten Hangars, die eben auch braucht, um ein beinahe 80 Jahres altes Flugzeug, ein Stück Luftfahrtgeschichte in der Luft und damit für zukünftige Generationen zu erhalten.

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1 Kommentar. Hinterlasse eine Antwort

  • Herbert Runkel
    18. Juni 2022 13:19

    Hallo ich komme aus Karben und mich würde gerne mal in einem Doppeldecker mitfliegen. Wenn das geht, was kostet das und wie lange ist man in der Luft.
    Gruß Herbert Runkel

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