Spornradflugzeuge in Ober-Mörlen

Spornradflugzeuge – magisch gefährlich?

In Fliegerkreisen sind Spornradflugzeuge heutzutage etwas Besonderes und es kursieren viele spannende Gerüchte rund um das Mysterium „Spornradfliegen“. Während den Anfängen der Fliegerei war es normal, dass ein Flugzeug vorne zwei Räder hatte und das dritte Rad am Heck des Flugzeuges. Heute ist die Situation anders: die meisten modernen Flugzeuge haben zwei Räder unter den Tragflächen und das dritte Rad unter der Nase – das nennt man Bugradflugzeug. Die moderne Bauweise bringt ganz einfach gesagt mehr Richtungsstabilität beim Rollen sowie bei Start und Landung. Es ist so einfacher das Flugzeug am Boden zu beherrschen. Außerdem haben die Piloten dadurch, dass das Flugzeug mit Bugrad waagrecht steht, eine bessere Rundumsicht am Boden. Bei Spornradflugzeugen deutet die Nase beim Rollen gen Himmel und versperrt die Sicht der Piloten.

Der Club der unfehlbaren

Auf jedem Flugplatz gibt es ihn: Den Club der unfehlbaren. Meist hat er einen „runden Tisch“ im Vereinsheim oder festen Platz auf dem Vorfeld der Landebahn. Er ist wichtig – wirklich! Denn der Club beobachtet und kommentiert bei jeder Flugbewegung eifrig, was die Fliegerkameraden gerade alles falsch machen. Gelegentlich liegt der Club sogar richtig und man kann etwas aus seinen Beobachtungen lernen. Besonders schön ist es natürlich, wenn der „Vorstand“ des Clubs bei starkem Seitenwind mal wieder darüber referiert wie gefährlich und extrem schwer beherrschbar so ein Spornradflugzeug bei Seitenwind ist – ja geradezu lebensbedrohlich. In diesem Moment kommt bei 27 km/h Seitenwind eine zierliche Piper Cub (Spornradflugzeug) eingeschwebt, tanzt im Wind des Endanfluges, setzt sich präzise auf die Landebahn und rollt gemütlich zum Abstellplatz. Der Vorstand des Clubs geht sich verlegen einen neuen Kaffee holen. Themawechsel: Der Windenfahrer hat das Segelflugzeug wieder viel zu früh „rausgeschmissen“.

Spornradfliegen ist für uns in Ober-Mörlen (keine) Magie

In unserem Verein ist die Ausnahme des Spornradflugzeugs die Regel. Auf unserem Flugplatz überwiegt die Zahl der Spornradflugzeuge die Bugradflugzeuge um ein Vielfaches. Denn Spornradflugzeuge haben besondere Reize. Oft sind es Flugzeuge aus den 1930er bis 1960er Jahren. Viele sind eher spartanisch ausgerüstet: Sie haben nur die nötigsten Instrumente und verzichten auf überflüssigen Schnickschnack wie Landeklappen oder ein sogenanntes Glas-Cockpit (digitale Instrumente). Es ist sehr puristisches, ja sehr ursprüngliches Fliegen. Unser ältestes Spornradflugzeug am Platz ist der Focke-Wulf „Stieglitz“ aus dem Jahre 1937. Dicht gefolgt von einer Boeing Stearman und einer Piper Cub aus den frühen 1940er Jahren. Diese Flugzeuge fliegen besonders langsam. Der alte Stieglitz ist dabei noch der schnellste der drei genannten. Er fliegt im Reiseflug mit etwa 155 km/h, die Piper Cub schippert mit gemütlichen 130 km/h durch die Lüfte. Es ist wunderbar bei diesen vergleichsweise niedrigen Geschwindigkeiten die Gegend aus der Luft zu betrachten. Man sieht vielmehr wenn man langsam ist, was auch der guten Aussicht aus den Flugzeugen, zum Teil mit offenem Cockpit, zu verdanken ist. Doch es gibt auch eine andere Liga: Das jüngste Spornradflugzeug bei uns ist Thies‘ russische Jakowlew Jak-52 TW aus dem Jahre 2006, die es im Reiseflug auf rund 300 km/h bringt. Die Bellanca Decathlon von Antonia reist mit rund 200 km/h und bildet damit das Mittelfeld. Einige unserer Spornradflugzeuge sind sogar voll kunstflugtauglich. Teilweise sogar speziell für harten Kunstflug konstruiert.

Ähnlich bunt gemischt wie die Flugzeuge, ist das Alter der Piloten. Die jüngste in der Riege ist Hannah, die mit ihren Anfang 20 einen Anteil an einer Piper Cub besitzt. Das andere Ende der Altersskala markiert Bernd, dessen Alter ein gut gehütetes Geheimnis ist. Dazwischen ist alles erlaubt. Jeder darf es lernen diese Flugzeuge zu fliegen ohne ein Praktikum in Hogwarts nachweisen zu müssen. Voraussetzung ist natürlich, dass man wenigstens einen Anteil an den Flugzeugen besitzt, denn sie sind alle in privater Hand. Die Eigentümergemeinschaften machen es Neulingen aber oft sehr leicht einzusteigen. Schließlich sollen die fliegenden Schätzchen in Ober-Mörlen bleiben. Beim Einstieg in die Haltergemeinschaft ist der Nasenfaktor entscheidend. Das Vorurteil, dass Spornradfliegen nur etwas für „harte Männer“ ist, ist natürlich purer Schwachsinn. Antonia, Hannah und Andrea beweisen uns jedes Wochenende das genaue Gegenteil und fliegen ihre Spornradflugzeuge mit außergewöhnlich viel Feingefühl und Eleganz. Spornradfliegen ist magisch schön.

Und ja: Es gibt gelegentlich ein Ringelpiez und bei der Landung wird auch mal gehüpft. Hüpfen gehört zum Handwerk und wer noch kein Ringelpiez gemacht hat, hat es noch vor sich. Egal ob Männlein oder Weiblein. Nennenswerte Schäden bleiben dabei meist aus. Nur das Ego der Piloten ist danach garantiert angekratzt.

 

 

Eine Solide Einweisung und gute Bremsen

Der Schlüssel zum erfolgreichen Betrieb eines solchen Flugzeugs sind gut gewartete Bremsen und eine solide Einweisung in die Besonderheiten der Handhabung. Während bei einem Bugradflugzeug der Schwerpunkt vor den beiden Haupträdern unter den Tragflächen liegt liegt, liegt er bei Spornradflugzeugen dahinter. Ganz salopp gesagt: Das Bugradflugzeug wird vom Schwung des Schwerpunkts gezogen, während das Spornradflugzeug von seinem Schwerpunkt „vor sich her“ geschoben wird – das macht die Handhabung etwas labiler. Zur Richtungssteuerung brauchen die Flugzeuge gut funktionierende Differentialbremsen: Es wird gelenkt indem man wahlweise das linke oder rechte Rad abbremst. Zudem liegt das richtungsstabilisierende Leitwerk gelegentlich im Windschatten der Tragflächen, weshalb die Ruder am Heck schlechter wirken. Auch Propellerwirbel und Drehmoment des Motors haben ihre Einflüsse. Doch es gibt ein paar Tricks, die man leicht lernen kann, um diese Besonderheiten zu beherrschen. Erstaunlich leicht fällt das Spornradfliegen oft den „gelernten“ Segelfliegern, weil diese die so wichtige Technik der 3-Punkt-Landung (alle drei Räder setzen bei der Landung Gleichzeitig auf) aus ihrer Ausbildung bereits perfekt beherrschen. Da zahlt sich unser durchlässiges Ausbildungssystem in Ober-Mörlen aus: Viele Flieger beginnen bei uns die Ausbildung mit dem Segelflug und wechseln dann über den Motorsegler zum Motorflugzeug. Das ist günstig und lehrreich, dauert dafür aber länger als die Ausbildung in einer kommerziellen Flugschule. Zudem ist die Faszination Segelflug oft fast noch größer als die des Spornradfliegens.

Alte und seltene Schätze

Viele unsere Spornradflugzeuge sind echte Raritäten. Sie sind wahlweise sehr alt, sehr seltene Exemplare oder beides zugleich. Mittlerweile erhalten wir regelmäßig Besuche von Flugzeugenthusiasten aus ganz Europa um unser „Fliegendes Museum“ in Ober-Mörlen zu besichtigen – nicht nur die Motorflugzeuge. Kaum ein anderer Flugplatz in Deutschland beherbergt als ganz normaler Flugverein so viele Raritäten. Andernorts muss man Eintritt zahlen um eine solche Flugzeugsammlung sehen zu dürfen. Schauen Sie doch mal in unserer Rubrik „Verein/Unsere Flugzeuge“ vorbei oder besuchen Sie uns am besten gleich auf dem Flugplatz und sprechen Sie uns an. Wir zeigen Ihnen gerne die Besonderheiten unserer Sammlung.

 

Text und Bilder: Hermann Kerzendorf

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